In Dir steckt mehr als Du denkst.

Vor 2.000 Jahren – Der Urinwäscher

Woher stammen Sprichwörter, wie „Geld stinkt nicht“ und „Blau machen“?

Inhaltsverzeichnis

Der Urinwäscher

Diese Woche gehen wir auf ein Thema ein, welches wir erst letzte Woche in unserem Blog erwähnt haben ( 10 Fakten zur Hygiene in der Vergangenheit ). Und zwar geht es um den mittlerweile ausgestorbenen Beruf des „Urinwäschers“. Du hast noch nie davon gehört? Kaum vorstellbar, aber einer musste den Job ja machen! In den bizarren Tätigkeiten vergangener Jahrzehnte und Jahrhunderte spiegelt sich die Wirtschaft und Gesellschaft.

Die aktive Zeit

Römisches Kaiserreich. Danach nur noch vereinzelt und meist nur für die Verarbeitung von Wollstoffen, in England bis 1935.

Senatoren verließen Sitzungen um auf offener Straße zu pinkeln

Im Jahr 150 v.Chr. erinnert sich der Römer Macrobius an einen republikanischen Erzähler, der sich über Wein trinkende Würdenträger beschwerte: Sie hätten sich öfter schamlos aus dem Sitzungssaal geschlichen, um draußen auf der Straße in Auffanggefäße zu pinkeln. Archäologen kennen diese Urin-Amphoren nur zu gut. Von Ausgrabungen ist bekannt, dass solche Vasen in römischen Städten an wichtigen Verkehrsknotenpunkten aufgestellt wurden und so quasi als öffentliches Pissoir dienten. Geleert wurden sie von den „Fullonen“, den Urinwäschern, die den Inhalt zum Reinigen der römischen Togen verwendeten. Möglich macht das der Ammoniak im Urin, der eine ausgezeichnete Waschkraft aufweist.

Man darf als Kenner römischer Pinkelgewohnheiten (Die römischen Latrinen) aus einem entscheidenden Grund die Nase rümpfen: Im alten Rom war bekannt, dass sich der Urin von Weintrinkern – wegen seines geringen Alkaligehalts – weit weniger gut als Waschmittel verwenden ließ als beispielsweise Kamelharn. So störten die Senatoren also nicht nur die Sitzungen, sie lieferten auch noch unbrauchbaren Roh-Ammoniak.

Geld stinkt nicht

Die Fullonen des alten Rom waren nicht die Ersten, die von der reinigenden Wirkung des menschlichen Urins wussten. Schon im alten Ägypten wurde bei der Bearbeitung von Wolle ebendieser Grundstoff verwendet. Die Fullonen, die nichts anderes erledigten als unsere heutigen Wäschereien, waren also vor allem daran interessiert, viel Harn zu sammeln. Darum verteilten sie ihre Urin-Amphoren in der Stadt und luden die Bürger ein, ihren Roh-Ammoniak dort hinein zu pinkeln. Der Einfachheit halber schlugen sie den Amphoren die Hälse ab, damit die Erledigung der Notdurft treffsicherer gelang. Auch die Besitzer öffentlicher Pissoirs wurden um deren wertvollen Inhalt gebeten. Die oft zitierte Anekdote von Kaiser Vespasian, aus der das Sprichwort „Geld stinkt nicht“ abgeleitet wurde, rührt von folgendem Umstand her:

„Als Titus, sein Sohn, ihn rügte, weil er eine Steuer für Urin erhob, da hielt Kaiser Vespasian seinem Sohn eine Münze vor die Nase, die aus den ersten Gewinnen dieser Steuer stammte, und fragte ihn, ob er den Geruch dieser Münze als anrüchig empfinde. Als Titus mit ›Nein‹ antwortete, sprach der Kaiser: ›Und doch stammt sie vom Urin‹. Non olet – es stinkt nicht.“

Vor allem in Pompeji stießen die Archäologen bei Ausgrabungen auf Reste von Fullonen-Betrieben, die zum Teil mitten in der Stadt lagen. In südlicheren Städten des Römischen Reiches, wie Jerusalem oder Karthago, scheinen die Fullonen sich eher außerhalb, im Bereich der Stadtmauer, niedergelassen zu haben. Wahrscheinlich ist diese Tatsache auf den Geruch ihres Waschmittels zurückzuführen, welches durch die warme Luft verstärkt, doch etwas anders duftete als die heute übliche Seife.

Durch Wandmalereien in Pompeij hat man eine ziemlich genaue Vorstellung vom Ablauf eines solchen Betriebs. Die dreckigen Kleider wurden demnach zuerst in Wannen eingeweicht, was je nach Verschmutzungsgrad bis zu drei Tage dauern konnte. Als Waschmittel diente eine Mischung aus Urin, Seifenkraut, Pottasche und Tonerde. Nach dem Einweichen wurde mit den nackten Füßen auf den Kleidern herumgestampft, eine Tätigkeit, die vermutlich oft von Kindern erledigt wurde. Diese Form des Stampfens half, den Schmutz aus den Fasern zu lösen. Danach wurde die Kleidung gründlich ausgewaschen und geklopft, um das Gewebe wieder zu festigen, schließlich auf Holzstangen gehängt und getrocknet.

Weitere Verwendungsformen von Urin

Neben dem Reinigen leisteten die Urinwäscher einen weiteren Service: Sie behandelten rohe Wollstoffe mit der Urinmischung, um auf das Wollfett einzuwirken. Auch in Österreich war diese Art der Wollbehandlung bis zu Beginn des letzten Jahrhunderts gebräuchlich. Man sammelte, ähnlich wie im alten Rom, den menschlichen Urin in Tonnen, die meist vor Gasthäusern standen.

Eine andere Verwendung pflegte man auf Kuba: Dort weichte man die Tabakblätter in Frauen-Urin ein, um sie schmackhafter zu machen – Wohl bekomms 😉

Urin diente außerdem bei den Römern, wie auch in anderen Kulturen, zum Färben. Im fernen Indien, wurde der Harn von Mangoblätter-fressenden Kühen verwendet, um das herrliche Indischgelb zu erzeugen.

Noch im Spätmittelalter benötigte man in der Fastenzeit für die Herstellung der blauen oder violetten Altardecken und Priestergewänder reichlich davon. Die blaufärbende Pflanze Indigo wurde in Fässern mit Urin gegärt und somit der blaue Farbstoff gewonnen.  Deshalb waren die Arbeiter angehalten am Wochenende viel Bier zu trinken, um am Montag genügend Harn abliefern zu können. Das bis heute gebräuchliche „Blau machen“ ist darauf zurückzuführen, denn es ist überliefert, dass dieser Dienst manchmal mit einem freien Tag oder Halbtag belohnt wurde.

Abschließend bleibt zu sagen, dass Unser täglich Abwasser vielerlei Nutzen hat. Reiner Urin ist in einem Mischverhältnis von 1:10 ein grandioser, geruchsfreier Dünger für Deinen Garten. Heute sind wir natürlich froh, effektivere und nasenfreundlichere Reinigungsmittel zur Verfügung zu haben. Stellt euch vor, Ihr würdet heute noch mit eurem eigenen Urin daheim eure Wäsche waschen. Auf einige Erfindungen der Neuzeit können wir also zurecht stolz sein!

Links:

Teile diesen Beitrag

Share on facebook
Share on twitter
Share on linkedin
Share on whatsapp
Share on telegram
Share on xing

Ähnliche Beiträge

Komposttoilette
Barbara Forstner

Warum öKlo kein Billiganbieter ist

Zu jeder Veranstaltung gehört auch eine ordentliche Sanitärlösung. Es gibt viele Anbieter von mobilen Toiletten – und so gut wie alle sind günstiger als öKlo. Aber ein öKlo bringt Mehrwert. Warum wir also kein Billiganbieter sind und das auch nie werden wollten.

Weiterlesen »
Komposttoilette
Barbara Forstner

Das Plumpsklo: Eine historische Betrachtung

Schon unsere Vorfahren waren kreativ, was ihre Lösungen für Fäkalien betraf. Manche Epochen sind geprägt von desaströsen hygienischen Zuständen. Eine Erfindung hat sich über Jahrhunderte gehalten: Das Plumpsklo.

Weiterlesen »
Komposttoilette
Gastautor

What to do with the waste from your compost toilet?

If you are planning to get a compost toilet for your home, you might ask yourself one of the most important questions: What can you do with the waste as soon as the barrel is filled? We prepared a guide for you to show you what possibilities you have.

Weiterlesen »
Komposttoilette
Gastautor

Was kann man mit Eigenkompost machen?

Falls Du Dir überlegst, eine Komposttoilette im Haus oder Garten aufzustellen, wirst Du Dir vermutlich eine der wichtigsten Fragen zuerst stellen: Wohin mit den Fäkalien, die darin landen? Wir haben eine Übersicht vorbereitet, um einige Möglichkeiten zu zeigen, wie man den Eigenkompost aus seiner Toilette verwenden kann.

Weiterlesen »
Komposttoilette
Jasmin Neubauer

Alle Fakten zur Kompostierung bei öKlo

Viele Kunden fragen bei uns nach, was genau eigentlich mit dem Inhalt eines öKlos passiert, nachdem dieser abgeholt wird. Unsere WissenschaftlerInnen erklären die Prozesse hinter der Kompostierung.

Weiterlesen »

Deine Anfrage bei öKlo

Ein bisschen mehr Infos würden uns helfen -
Welche Produkte möchtest du haben?

öKlo Umfrage

Und, wie viele Lagen sollte dein Toilettenpapier mindestens haben?

💩

Hacke

deine Gemeinde!

Lass Deinen Bürgermeister wissen, dass Du ein öKlo im Ort haben möchtest. Erledigt mit 3 Klicks!

TÜV zertifizierter Komposttoiletten Profi
4.6/5

öKlo Kombi

Die Toilette aus Holz, pflegeleicht,
anschlussfrei und definitiv entlastend.

899,00

Enthält 20% MwSt.

zzgl. Versand
Lieferzeit: ca. 4 Wochen

4.6/5

öKlo Mini

Dient als vollwertiger Ersatz/Alternative
für eine Wassertoilette

€ 420,00

Enthält 20% MwSt.

zzgl. Versand
Lieferzeit: ca. 4 Wochen

4.6/5

öKlo Dusche

Die öKlo Dusche sorgt
für allgegenwärtige Sauberkeit.

€ 3.900,00

Enthält 20% MwSt.

zzgl. Versand
Lieferzeit: ca. 2-3 Werktage

4.6/5

öKlo LuliDu

Das schönste Pissoir
in verschiedenen Größen

€ 3.000,00

Enthält 20% MwSt.

zzgl. Versand
Lieferzeit: ca. 2-3 Werktage

4.6/5

öKlo Waschstation

Händewaschen – nachhaltig und
mit natürlichem Luxus.

€ 2.760,00

Enthält 20% MwSt.

zzgl. Versand
Lieferzeit: ca. 2-3 Werktage

4.6/5

öKlo Urinal

Die effiziente Lösung für alles,
das man auch im Stehen erledigen kann.

€ 4.800,00

Enthält 20% MwSt.

zzgl. Versand
Lieferzeit: ca. 2-3 Werktage

4.6/5
4.6/5

öKlo Klassik

Die nachhaltig gebaute
Toilettenkabine aus Holz

4.500,00

Enthält 20% MwSt.

zzgl. Versand
Lieferzeit: ca. 2-3 Werktage

In Zeiten von Corona - öKlo als verlässlicher Partner!